Paradoxe Krankheitsreaktionen von Biologika bei chronisch entzündlichen Systemerkrankungen

Eine Übersichtsarbeit von Igor Kremenevski, Oliver Sander, Michael Sticherling und Martin Raithel

Hintergrund

Biologika mit auf das Immunsystem einwirkenden Substanzen werden in zunehmendem Maße bei chronisch entzündlichen Systemerkrankungen eingesetzt. Ihr Einsatz kann erwartete Nebenwirkungen, aber auch nicht erwartete, paradoxe Krankheitsreaktionen (PR) induzieren. Als paradox wird die Wirkung eines Arzneimittels bezeichnet, wenn eine prinzipiell therapeutisch wirksame Substanz das Gegenteil des beabsichtigten Effekts auslöst mit Neuauftreten/Exazerbation von nichtinfektiösen entzündlichen Haut- und anderen Organveränderungen.

Methode

Die seit 1997 beschriebenen paradoxen Krankheitsreaktionen wurden anhand der verfügbaren Literatur zu den wichtigsten chronisch entzündlichen Systemerkrankungen nach einer selektiven Literaturrecherche in PubMed und Google Scholar ausgewertet.

Ergebnisse

Paradoxe Krankheitsreaktionen sind in vielen Studien und Registern bisher nicht wahrgenommen worden. Die Häufigkeit einer paradoxen Reaktion beträgt bei Patientinnen und Patienten mit ankylosierender Spondylitis unter Anti-Tumornekrosefaktor(TNF)-alpha-Therapie 19/1 000 Patientenjahre gegenüber 11/1 000 Patientenjahre unter konventioneller Therapie; die Häufigkeit für eine Psoriasis als paradoxe Krankheitsreaktion liegt für Patienten mit verschiedenen Erkrankungen bei 1,04–3,68/1 000 versus 1,45/1 000 Patientenjahre in der Kontrollgruppe. Tendenziell kommen paradoxe Reaktionen bei Anti-TNF-alpha-Therapien häufiger vor als zum Beispiel bei der Gabe von Ustekinumab, Vedolizumab und anderen Wirkstoffen. Es ist unklar, ob die unterschiedliche Häufigkeit der PR mit der länger bestehenden Zulassung einiger Medikamente, ihrer unterschiedlichen Immunogenität oder eventuell auf die unterschiedlichen Zielstrukturen zurückzuführen ist.

Schlussfolgerung

Das Auftreten von paradoxen Krankheitsreaktionen unter Biologikatherapie stellt ein interdisziplinäres Problem dar, das von infektiösen, neoplastischen und anderen autoimmunologischen Erkrankungen abgegrenzt werden muss. Die Therapiemöglichkeiten bei paradoxen Krankheitsrektionen bestehen in Lokal therapie, symptomatischer Therapie, Prednisolongabe, Absetzen oder Umsetzen des Biologikums, wobei manche Patienten auch auf eine andere Biologikagruppe mit paradoxen Reaktionen reagieren.